Wie funktionieren eigentlich Bauchgefühle?

Im deutschen Sprachraum ist Gerd Gigerenzer der bekannteste Vertreter der „Bauchgefühl-Wissenschaft“ und hat sich in vielen Büchern und Artikeln mit Intuition in verschiedenen Dimensionen auseinandergesetzt und diese analysiert. Intelligenz ist demzufolge nicht nur überlegt, bewusst und logisch, sondern auch spontan, unbewusst und (scheinbar) ohne Logik (Gigerenzer 2001). Die Rationale Abwägung von Pro und Contra mit bewusster Gewichtung von Gründen (Gigerenzer nutz hierfür Begriffe wie „gedankliche Buchhaltung“ oder Benjamin Franklins „moralische Algebra“) ist nicht nur aufwendig, sondern sie kann auch zu schlechteren Ergebnissen führen. Es gibt demnach generell zwei persönliche Strategien für Menschen: Es gibt Maximierer (engl. Maximizer), die mit einer langen Suche die beste Wahl treffen wollen, und Zufriedenheitssucher (engl. Satisficer), die zügig eine Wahl treffen wollen, die gut genug ist. Maximierer zeigten dabei mehr Depressionen, einen Hang zu Perfektionismus, empfinden oft Reue und mache sich öfter Selbstvorwürfe. Die sogenannten „Zufriedenheitssucher“ zeigten dagegen größeren Optimismus im Leben, eine höhere Selbstachtung und höhere Lebenszufriedenheit. 

Die Elemente der Intuition

Gigerenzer gibt zum Bauchgefühl oder der Intuition folgende Definition: Die „Rekognitionsheuristik“ ist eine Faustregel, welche die bekanntere Variante der unbekannteren vorzieht. Aus diesem Grunde ziehen Menschen beispielsweise bei Konsumentscheidungen bekannte Marken unbekannten vor. Die Standarderklärung hierfür lautet, dass menschliche Intelligenz ein komplexes Problem durch einen komplexen Prozess löst. Zum Beispiel beim Fangen eines weit und hoch geworfenen Balles. Tatsächlich lösen wir bei dem Prozess und dem, was wir tun keine Differentialgleichungen, sondern wenden einige wenige Faustregeln an, die unsere besonderen biologischen Fähigkeiten nutzen. Diese seien hier: „Fixiere den Ball, beginne zu laufen, und passe Deine Laufgeschwindigkeit so an, dass der Blickwinkel konstant bleibt.“ Der Blickwinkel enthält also praktisch alles, was man braucht. Dabei nutzen wir die biologische Fähigkeit, bewegte Objekte mit den Augen verfolgen zu können. Für viele Fähigkeiten des Menschen gäbe es auch gar keinen sprachlichen Ausdruck. Wenn man hervorragende Kriminalbeamte, Baseballprofis oder Komponisten fragte, wie sie tun, was sie tun, würden sie bestenfalls nachgeschobene Erklärungen liefern, die aber den Kern nicht treffen. Es sei also ein Irrtum anzunehmen, Intelligenz sei zwangsläufig bewusst und hänge nur mit Überlegung zusammen.

Ein Bauchgefühl (Intuition, Ahnung als Synonyme) ist nach Gigerenzer ein Urteil,
1. das rasch im Bewusstsein auftaucht,
2. dessen tiefere Gründe uns nicht ganz bewusst sind, und
3. das stark genug ist, um danach zu handeln.

Wie funktionieren Bauchgefühle? 

Zwei Elemente:
1. Einfache Faustregeln (Heuristik als Synonym), die sich
2. evolvierte Fähigkeiten des Gehirns zunutze machen.

Faustregeln helfen

Der wesentliche Unterschied zwischen einer Faustregel und bilanzierender Algebra oder rein quantitativer Abwägung sei folgender: Die Faustregel versucht, die wichtigste Information herauszugreifen, und lässt den Rest außer Acht. Zudem gibt es nach Gigerenzer „Evolvierte Fähigkeiten“ das ist eine angeborene Möglichkeit, die durch längere Übung zu einer Fähigkeit wird. Die Intelligenz des Unbewussten liege darin, dass es ohne nachzudenken wisse, welche Faustregel in welcher Situation vermutlich funktioniert. Bei Tätigkeiten, wo Erfahrung entscheidend ist, verbessern sich die Ergebnisse von Laien, wenn sie mehr Zeit zum Nachdenken haben, von Experten jedoch, wenn sie weniger Zeit bekommen. 

    • Experten nutzen grundsätzlich zwei Vorteile:
      Sie sehen als erstes die besten Optionen. Längeres Nachdenken schiebt andere Optionen mit nach vorn.
    • Eingeübte motorische Fähigkeiten werden von unbewussten Teilen unseres Gehirns ausgeführt, und Nachdenken stört dabei. Zeitknappheit oder mäßige Ablenkung erhöhen die Qualität.

Erstaunlich wenige Informationen

Bauchgefühle beruhen demnach auf überraschend wenig Information. Genau dadurch erscheinen sie uns rationalen Menschen bei bewusstem Nachdenken so wenig vertrauenswürdig. Häufig gibt es bei Fragen und Entscheidungen ein Optimum (nicht zu viel, nicht zu wenig), das die besten Ergebnisse liefert, wenn es um Informationen, Zeit oder Alternativen geht. 

Zusammengefasst kann man nach Gigerenzer für Intuitionen folgende Kriterien und Umstände festhalten:

Nützliches Maß an Unwissenheit

Unbewusste motorische Fertigkeiten

Kognitive Beschränkungen („weniger Speicher“)

Zu viele Optionen schaden

Vorzug für die Einfachheit

geringe Informationskosten

Fazit: Gute Intuitionen ignorieren viele Informationen und beschränken sich auf das Wesentliche.