Unsere Jobs sterben – wie die Kanarienvögel im Schacht

Im Spätherbst 2022 geschah etwas, das in den meisten Personalabteilungen und Führungsetagen zunächst unbemerkt blieb. Während die Welt noch über ChatGPT staunte und Unternehmen erste Pilotprojekte mit künstlicher Intelligenz starteten, begann sich eine Kurve zu drehen – leise, aber mit weitreichenden Konsequenzen. Die Beschäftigungskurve junger Softwareentwickler, jener Generation zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren, die gerade ihre ersten Schritte im Berufsleben machte, kippte nach unten. Und sie sollte nicht mehr zurückkehren.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn ihre Botschaft unbequem ist. Innerhalb weniger Monate entwickelte sich künstliche Intelligenz von einer technologischen Kuriosität zu einem ernstzunehmenden Akteur auf dem Arbeitsmarkt. Der jüngste AI Index Report zeichnet diese Entwicklung in beeindruckender Geschwindigkeit nach: Während KI-Systeme im Jahr 2023 gerade einmal 4,4 Prozent der Programmieraufgaben auf SWE-Bench lösen konnten – einem weithin anerkannten Benchmark für Software-Engineering – schnellte diese Quote bis 2024 auf 71,7 Prozent hoch. Ein Sprung, der in der Technologiegeschichte seinesgleichen sucht. Parallel dazu verbesserten sich die Systeme in Bereichen wie Sprachverständnis, Fachwissen und logischem Denken. Und während die Maschinen klüger wurden, holten die Menschen sie in ihre Arbeitswelt: Bis Juni und Juli 2025 nutzten bereits 46 Prozent der erwachsenen US-Bürger über achtzehn Jahren regelmäßig große Sprachmodelle bei ihrer Arbeit, wie eine Erhebung von Hartley und Kollegen zeigt.

Es trifft die, von denen man es am wenigsten erwartet hätte

Doch erst wenn man genauer hinsieht, wenn man die aggregierten Arbeitsmarktzahlen aufbricht und nach Alter und Berufsgruppen sortiert, zeigt sich das wahre Ausmaß dieser Transformation. Die erste zentrale Erkenntnis einer aktuellen Untersuchung liest sich wie ein Warnschuss: In Berufen, die besonders stark der KI ausgesetzt sind – Softwareentwickler, Kundendienstmitarbeiter und ähnliche Positionen –, ist die Beschäftigung junger Berufseinsteiger zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren substanziell zurückgegangen. Im Gegensatz dazu blieben die Beschäftigungstrends für erfahrenere Arbeitskräfte in denselben Berufen stabil oder wuchsen sogar weiter. Und in Berufen, die als weniger KI-exponiert gelten, etwa Pflegehilfskräfte, entwickelte sich die Lage für alle Altersgruppen unauffällig.

Die Daten zeichnen ein präzises Bild dieser Spaltung. Normiert man die Beschäftigungszahlen auf den Wert eins im Oktober 2022, zeigt sich für Softwareentwickler und Kundendienstmitarbeiter ein verblüffend ähnliches Muster: Die Beschäftigung der jüngsten Arbeitnehmer fällt nach 2022 deutlich ab, während sie für andere Altersgruppen weiter ansteigt. Bis Juli 2025 war die Zahl der beschäftigten Softwareentwickler im Alter von zweiundzwanzig bis fünfundzwanzig Jahren um fast zwanzig Prozent gegenüber ihrem Höchststand Ende 2022 gesunken. In Berufen, die als weniger exponiert bewertet werden, zeigt sich hingegen ein gegenteiliges Bild: Dort wächst die Beschäftigung junger Arbeitskräfte sogar schneller als die ihrer älteren Kollegen.

Die Jüngeren verlieren als erste ihren Job; oder bekommen erst gar keinen

Die zweite zentrale Erkenntnis wirft ein noch schärferes Licht auf diese Entwicklung. Während die Gesamtbeschäftigung weiterhin robust wächst, stagniert das Beschäftigungswachstum speziell für junge Arbeitskräfte seit Ende 2022. In den weniger KI-exponierten Berufen erlebten junge Arbeitnehmer ein vergleichbares Beschäftigungswachstum wie ihre älteren Kollegen. Doch in den am stärksten KI-exponierten Berufen ergibt sich ein drastisches Bild: Arbeitskräfte zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig Jahren verzeichneten von Ende 2022 bis Juli 2025 einen Rückgang von sechs Prozent, während ältere Arbeitnehmer einen Zuwachs von sechs bis neun Prozent erfuhren. Die Schere öffnet sich, und sie tut es entlang einer Trennlinie, die weniger mit Qualifikation oder Leistung zu tun hat als mit Erfahrung und der Art des Wissens, das man mitbringt.

Denn – und das ist die dritte zentrale Erkenntnis – nicht alle Anwendungen von KI gehen mit Beschäftigungsrückgängen einher. Die Exposition gegenüber künstlicher Intelligenz kann Arbeit entweder ergänzen oder ersetzen, und diese beiden Modi haben völlig unterschiedliche Implikationen für den Arbeitsmarkt. Die Untersuchung zeigt, dass die Beschäftigung auf Einstiegsebene in jenen Bereichen zurückgegangen ist, in denen KI Arbeit automatisiert – nicht aber dort, wo sie diese hauptsächlich erweitert und unterstützt. Die Berufe mit den höchsten geschätzten Automatisierungsanteilen sind es, die den deutlichsten Rückgang bei den jüngsten Arbeitnehmern aufweisen.

Die Löhne für Experten steigen durch KI

Die vierte Erkenntnis fügt der Analyse eine wichtige Nuance hinzu: Die Beschäftigungsrückgänge für junge, KI-exponierte Arbeitskräfte bleiben auch dann bestehen, wenn man Unternehmens-Zeit-Effekte berücksichtigt. Das bedeutet, die beobachteten Trends lassen sich nicht durch unterschiedliche Schocks bei Firmen erklären, die überdurchschnittlich viele KI-exponierte junge Arbeitnehmer beschäftigen. Die Verschiebung ist systematischer Natur.

Interessanterweise zeigen sich die Anpassungen am Arbeitsmarkt stärker in der Beschäftigung als in der Vergütung – so lautet die fünfte zentrale Erkenntnis. Im Gegensatz zu den Befunden bei der Beschäftigung finden sich kaum Unterschiede in den Gehaltstrends nach Alter oder Expositionsquintil. Dies deutet auf eine mögliche Lohnstarrheit hin. Die Unterschiede in der Vergütung zwischen stärker und weniger exponierten Berufen fallen deutlich weniger ausgeprägt aus als bei der Beschäftigung. Frühere Arbeiten von Autor und Thompson aus dem Jahr 2025 weisen darauf hin, dass Technologien, die unerfahrene Tätigkeiten ersetzen, zwar die Beschäftigung in einem Beruf reduzieren, aber die Löhne erhöhen können. Technologien, die hingegen Expertentätigkeiten ersetzen, könnten das Gegenteil bewirken. Das Vorzeichen des Lohneffekts hängt sowohl vom Gesamtanteil der ersetzten Aufgaben ab als auch davon, ob es sich um Experten- oder Anfängertätigkeiten handelt.

Buchwissen kann KI übernehmen; Erfahrungswissen dagegen nicht...

Die sechste Erkenntnis verleiht den Befunden zusätzliche Robustheit: Die oben beschriebenen Fakten zeigen sich weitgehend konsistent über verschiedene alternative Stichprobenkonstruktionen hinweg. Die Ergebnisse werden nicht allein durch Computerberufe oder durch Berufe getrieben, die anfällig für Fernarbeit und Outsourcing sind. Zudem konnte die KI-Expositions-Taxonomie die Beschäftigungsergebnisse für junge Arbeitskräfte in früheren Zeiträumen, vor der breiten Nutzung großer Sprachmodelle, nicht vorhersagen – auch nicht während des durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Beschäftigungseinbruchs. Die Muster, die sich in den Daten zeigen, treten am deutlichsten ab Ende 2022 auf, genau zu dem Zeitpunkt, als generative KI-Werkzeuge ihre rasante Verbreitung begannen.

Warum aber trifft KI gerade exponierte Berufseinsteiger härter als andere Altersgruppen? Eine mögliche Erklärung liegt in der Natur des Modelltrainings selbst: KI ersetzt kodifiziertes Wissen, jenes „Buchwissen", das den Kern formaler Bildung bildet. Künstliche Intelligenz scheint hingegen weniger in der Lage zu sein, implizites Wissen zu ersetzen – jene idiosynkratischen Tipps und Tricks, die sich mit Erfahrung ansammeln. Da junge Arbeitskräfte relativ mehr kodifiziertes Wissen als implizites Wissen einbringen, könnten sie in exponierten Berufen einer stärkeren Aufgabenverdrängung durch KI ausgesetzt sein, was zu einer größeren Beschäftigungsverlagerung führt.

Die Regeln des Spiels haben sich geändert

Natürlich mögen die Hauptschätzungen durch andere Faktoren als generative KI beeinflusst sein. Doch die Ergebnisse fügen sich konsistent in die Hypothese, dass generative KI begonnen hat, die Beschäftigung auf Einstiegsebene signifikant zu beeinflussen. Die Einführung neuer Technologien führt typischerweise zu heterogenen Effekten über Arbeitnehmer hinweg und resultiert in einer Anpassungsphase, in der sich Arbeitskräfte von verdrängten Arbeitsformen zu neuen Formen mit wachsender Arbeitsnachfrage umverteilen, wie Autor und Kollegen bereits 2024 beschrieben. Eine solche endogene Anpassung könnte bei KI bereits im Gange sein. Erste Hinweise deuten auf Verschiebungen bei Studienfächern hin, weg von KI-exponierten Kategorien wie Informatik, wie Horowitch 2025 berichtete.

Was bleibt, ist die Einsicht, dass wir mitten in einer stillen Revolution stehen. Die Maschinen werden nicht die Arbeit insgesamt vernichten – die Gesamtbeschäftigung wächst weiter. Aber sie verändern, wer welche Arbeit bekommt, wer Zugang findet und wer draußen bleibt. Und sie tun es entlang von Linien, die wir gerade erst zu verstehen beginnen. Für junge Menschen, die heute ihre Ausbildung abschließen, könnte das bedeuten, dass die Regeln sich geändert haben, noch bevor sie das Spiel richtig kennengelernt haben.